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Förderschülerinnen und Förderschüler in Thüringen

Förderschulen werden unterhalten, um Kindern und Jugendlichen mit unterschiedlichen Entwicklungsschwierigkeiten und Beeinträchtigungen gerecht zu werden. So sollen auch sie sich wesentliche Bildungsinhalte aneignen können und eine realistische Chance auf einen geeigneten Schulabschluss erhalten.

Galt der Unterhalt von Förderschulen einst als modern und fortschrittlich, geriet das Konzept seit den 1990er Jahren zunehmend in die Schusslinie der Kritik. Das Konzept führe zur Diskriminierung und stigmatisiere die Schülerinnen und Schüler, was sich nachteilig auf ihre späteren Chancen auf dem Arbeitsmarkt auswirke. Gefordert sei vielmehr eine konsequente Integration dieser Kinder und Jugendlichen in die Gesellschaft, die deshalb vorzugsweise „normale“ Schulen besuchen sollten.

Auch in Thüringen gehört die Inklusion zum übergeordneten Bildungsziel und soll nach dem Thüringer Bildungsministerium „soweit es möglich ist“ angewandt werden. Kritikerinnen und Kritiker dieses Konzepts sehen Inklusion hingegen als Schaden für alle an. Weder würden inkludierte Schulen den benachteiligten Schülerinnen und Schülern gerecht werden können noch den nicht unter sonderpädagogischem Förderbedarf stehenden Lernenden, die in ihrem Lernerfolg ausgebremst würden.

Weitere Brisanz erhielt die Diskussion nach einer Anfrage der CDU, in deren Verlauf das Thüringer Bildungsministerium eingestehen musste, dass der Anteil der Schülerinnen Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf ohne Schulabschluss im Zeitraum zwischen dem Schuljahr 2014/15 und 2018/19 von 53 % auf 61 % angestiegen war. Besonders Schülerinnen und Schüler in Regelschulen waren von diesem Anstieg betroffen, aber auch Lernende, die an Förderschulen unterrichtet wurden. Die Diskussion dauert an.

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Was sind Förderschulen?

Förderschulen sind darauf ausgerichtet, Kindern und Jugendlichen mit Handicap oder einem besonderen Förderbedarf bei ihren Bildungszielen eine wirksame Hilfestellung zu leisten. Der Unterricht findet in kleinen Klassen statt und die Lehrerinnen und Lehrer werden durch sonderpädagogische Fachkräfte unterstützt. Dies ermöglicht es Förderschulen, individuell auf die besonderen Bedürfnisse der Förderschülerinnen und Förderschüler einzugehen. Förderschulen unterstützen die Schülerinnen und Schüler dabei, trotz ihrer Beeinträchtigungen einen Schulabschluss zu erlangen und verhelfen ihnen zu einer individuellen Lebensbewältigung.

Nach Angaben des Thüringer Bildungsministeriums haben Schülerinnen und Schüler einen sonderpädagogischen Förderbedarf, wenn sie „in ihren Bildungs-, Entwicklungs- und Lernmöglichkeiten so beeinträchtigt sind, dass sie im Unterricht […] ohne sonderpädagogische Unterstützung nicht hinreichend gefördert werden können“. Doch wie beschrieben bedeutet eine solche Zuweisung nicht zwangsläufig den Besuch einer Förderschule, der nach dem Vorhaben des Ministeriums im Sinne des Vorrangs der Inklusion eher ein letztes Mittel sein sollte.

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Arten von Förderschulen

Die Gründe, warum bei Schülerinnen und Schülern ein sonderpädagogischer Förderbedarf festgestellt wird, sind vielfältig. In Thüringen gibt es ein überregionales Netz an Förderzentren für die Bereiche Hören und Sehen. Diese Schulen sind speziell auf die Bedürfnisse von sehgeschädigten bis blinden sowie hörgeschädigten bis gehörlosen Lernenden ausgerichtet, was von der Gestaltung und Innenausstattung der Schulen bis hin zur Art der Unterrichtsgestaltung und Ausbildung der Lehrkräfte reicht.

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Regionale Förderzentren gibt es in Thüringer Förderschulen mit den Förderschwerpunkten Sehen, Hören, körperliche und motorische Entwicklung, Lernen, Sprache, emotionale und soziale Entwicklung sowie geistige Entwicklung. Auch hier sind die Förderschulen passgenau auf die spezifischen Hemmnisse ihrer Schülerinnen und Schüler eingestellt und können sich gezielt auf sie einstellen. Die meisten Schülerinnen und Schüler haben einen sonderpädagogischen Förderbedarf mit dem Schwerpunkt Lernen.

Aufgabenbeschreibung von Förderschulen

Im Freistaat Thüringen sind die Förderschulen den regionalen sowie den in den Bereichen Sehen und Hören überregionalen Förderzentren unterstellt. Die Förderzentren beraten Lehrerinnen und Lehrer, Sonderpädagogische Fachkräfte (SPF) und Eltern, leisten Diagnostik und organisieren bei Bedarf Lerngruppen für Schülerinnen und Schüler mit besonders komplexem sonderpädagogischen Förderbedarf. Außerdem untersuchen sie, welche Schülerinnen und Schüler in einer Förderschule die beste Unterstützung erhalten und welche Schülerinnen und Schüler am meisten von einer inklusiven Schulform profitieren würden.

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Förderschulen führen ihre Schülerinnen und Schüler nach Möglichkeit zu den Schulabschlüssen der Regelschule. Der Bildungslehrgang "Individuelle Lebensbewältigung" ist auf eine möglichst selbstbestimmte Lebensführung vor allem bei Schülerinnen und Schülern mit Handicaps ausgerichtet.

Anzahl der Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf in Thüringen

Von den im Schuljahr 2020/21 in Thüringen unterrichteten 246.510 Schülerinnen und Schülern wurde bei 13.467 ein sonderpädagogischer Förderbedarf festgestellt, was einem Anteil von 5,463 % entspricht. Die Feststellung eines sonderpädagogischen Förderbedarfs wird in Thüringen durch den Mobilen Sonderpädagogischen Dienst (MSD) des Staatlichen Schulamts geleistet. Der MSD wird auf Betreiben der Schulleiterin oder des Schulleiters aktiv, der/die das Verfahren beim Schulamt einleitet. Eine Zustimmung der Eltern ist dafür erforderlich. Zugleich können Eltern proaktiv das Verfahren beim Schulleiter oder der Schulleiterin anstoßen.

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Förderschülerinnen und Förderschüler nach Schulform und Klassenstufe in Berufsbildenden Schulen

Es ist vorrangiges Ziel des Thüringer Bildungsministeriums, auch Förderschülerinnen und Förderschülern zu einem Beruf zu verhelfen, denn jeder Beruf bedeutet Teilhabe, Selbstständigkeit und nicht zuletzt Lebensglück. Aus diesem Grund haben die Berufsschulen in Thüringen die gesellschaftspolitische Aufgabe und Verantwortung, Berufsschülerinnen und Berufsschüler mit sonderpädagogischen Förderbedarf zu integrieren.

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Diese Lernenden verteilen sich auf das breit gefächerte Netz an Berufsschulen in Thüringen wie folgt:

Die Berufsschule, die Schülerinnen und Schülern mit und ohne Abschluss offensteht, besuchten im Schuljahr 2020/21 26.115 Schülerinnen und Schüler, von denen bei 242 ein sonderpädagogischer Förderbedarf festgestellt wurde. 120 von ihnen befanden sich in der ersten berufsbildenden Jahrgangsstufe, 65 in der zweiten, 52 in der dritten und 5 in der vierten Jahrgangsstufe (Wiederholer/Innen).

In der Berufsfachschule, die sich an Schülerinnen und Schüler mit Haupt- oder Realschulabschluss wendet, wurde von den 4.182 Schülerinnen und Schüler bei 31 ein sonderpädagogischer Förderbedarf festgestellt. 16 von ihnen besuchten die erste und 15 die zweite Jahrgangsstufe.

Bei den höheren Berufsbildenden Schulen, bei denen der Realschulabschluss für den Besuch die Voraussetzung ist, ergab sich folgendes Bild: In den Höheren Berufsfachschulen wurde von den 8.318 Schülerinnen und Schülern bei 14 ein sonderpädagogischer Förderbedarf festgestellt, von denen sich acht auf die erste und sechs auf die zweite Jahrgangsstufe verteilen. Von den 1.592 Fachoberschülerinnen und –schülern wiesen neun Lernende einen sonderpädagogischen Förderbedarf auf. Drei von ihnen besuchten die erste und sechs die zweite Jahrgangsstufe.

Von den 3.079 Schülerinnen und Schülern, die das Berufsgymnasium besuchten, gab es sieben mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Drei von ihnen absolvierten die erste, eine/r die zweite und drei die dritte Jahrgangsstufe. Die Fachschule, welche die Besonderheit aufweist, sich ausschließlich an Lernende mit bereits abgeschlossener einschlägiger Berufsausbildung zu wenden, wurde 2020/21 von 4.596 Berufsschülerinnen und Berufsschülern besucht. 15 von ihnen wiesen einen sonderpädagogischen Förderbedarf aus, von denen sich 7 auf die erste, 6 auf die zweite und 2 auf die dritte Jahrgangsstufe verteilten.

Die Beruflichen Einrichtungen für Behinderte (BEB) in Thüringen richten sich an Menschen mit Handicaps. An diesen Schulen wird eine berufsbezogene Ausbildung mit lebensbegleitendem Lernen kombiniert. Von den 1.134 Schülerinnen und Schülern hatten deshalb 920 einen sonderpädagogischen Förderbedarf. 331 von ihnen absolvierten das erste, 300 das zweite, 270 das dritte und 19 das vierte (Wiederholerinnen und Weiderholer) Ausbildungsjahr.

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Förderschülerinnen und Förderschüler im gemeinsamen Unterricht

In Thüringen, wo Inklusion seit Jahren Leitziel des Bildungsministeriums ist, wird diese konsequent vorangetrieben. So stieg die Anzahl der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf, die in allgemeinen Schulen zusammen mit nicht speziell geförderten Lernenden unterrichtet werden, im Zeitraum von 2001/02 bis 2020/21 von 1.967 auf 5.890 – trotz deutlich gesunkener Gesamtschülerzahlen. Diese Steigerung betrifft die staatlichen wie die Schulen in freier Trägerschaft gleichermaßen und berücksichtigt die Entwicklung in den allgemeinbildenden und berufsbildenden Einrichtungen.

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Dennoch muss festgehalten werden, dass Schulen in freier Trägerschaft in Bezug auf die Inklusion noch weit hinter den staatlichen allgemeinbildenden Schulen zurückliegen. Die Inklusionsquote ist an Schulen in freier Trägerschaft nur halb so hoch wie an staatlichen Schulen. Trotzdem ist in den letzten Jahren auch die Anzahl integriert unterrichteter Schülerinnen und Schüler gestiegen. Aus einst nur 97 unterrichteten Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf sind heute 751 Lernende geworden, die gemeinsam mit nicht beeinträchtigten Schülerinnen und Schülern im selben Umfeld lernen.

Nach Förderschwerpunkten geordnet

Betrachtet man die Art der Beeinträchtigung, fällt auf, dass diese Entwicklung nicht gleichförmig verläuft, sondern stark vom Leiden der Schülerinnen und Schüler abhängt. Am stärksten ist der Zulauf der Schülerinnen und Schülern mit Lernschwierigkeiten in die allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen.

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Er vervielfachte sich im Zeitraum von 2001/02 bis 2020/21 von 355 auf 2.521 Schülerinnen und Schüler. Es folgen Schülerinnen und Schüler mit einer verzögerten emotionalen und sozialen Entwicklung, von denen statt 309 nunmehr 1.510 in regulären Schulen aufgenommen sind.

Wesentlich schwerer fällt die Integration von Schülerinnen und Schülern mit körperlichen und motorischen Einbußen sowie von Lernenden mit geistiger Entwicklungsstörung. Noch vor 20 Jahren traf man solche Schüler/Innen kaum in „normalen“ Lehrinstituten.

Dies hat sich inzwischen geändert. So stieg der Anteil der Schülerinnen und Schüler mit körperlicher und motorischer Beeinträchtigung im Untersuchungszeitraum von 82 auf 516 und der Anteil der Schülerinnen und Schüler mit geistiger Behinderung von 13 auf 272. Im Förderschwerpunkt für geistige Entwicklung ist der Wert allerdings in den letzten Jahren wieder leicht rückläufig.

Vor allem Schülerinnen und Schüler, denen ein grundlegender Orientierungssinn weitgehend oder gänzlich fehlt, der in regulären Schulen wie selbstverständlich stimuliert wird, gelten noch heute als stark abhängig von einem Schutzraum, der lerntechnisch auf das Handicap eingestellt ist. Doch auch hier vervielfachte sich der Wert derjenigen Schülerinnen und Schüler, die auf einer regulären Schule aufgenommen wurden. Der Anteil der Schülerinnen und Schüler mit Schwerpunkt Hören stieg von 35 auf 306 rapide an, während der Anteil der Lernenden mit Schwerpunkt Sehen sich von 18 auf 155 erhöhte. Lediglich im Förderschwerpunkt Sprache blieb der Anteil der Schülerinnen und Schüler relativ konstant. Hier erhöhte er sich im Untersuchungszeitraum nur geringfügig von 600 auf 610, was in Relation zu den gesunkenen Schülerzahlen allerdings ebenfalls einer signifikanten Steigerung entspricht.

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